Knicks und sag danke.

buchtitel jugel

Gedichte
Charlotte Jugel
Verlag Kleine Schritte,
Trier 2000, ISBN 3-923261-78-0

 

 


Das Herz wird leicht
Charlotte Jugels ganz besonderes Gefühlschaos
Von Anja Renger

Entnommen aus Beitrag von www.literaturkritik.de vom 14.8.2001:

Wer sich von dem doch etwas langweilig und spießig anmutenden Cover nicht sofort abschrecken lässt, wird positiv überrascht werden. Eine schöne Gedichtsammlung verbirgt sich hinter dem Titel "Knicks und sag danke", der eigentlich eher einen Almanach des guten Benehmens vermuten lässt.

Die Gedichte entpuppen sich als wahre Fundgrube des Alltäglichen. Das sonst banal Wirkende gewinnt hier an Bedeutung. Der Band lässt den Leser sich erinnern, sich freuen und traurig werden. Eine ganze Palette an Gefühlsregungen bietet Charlotte Jugel mit ihren Gedichten voller ausdrucksstarker Bilder an. So gibt sie dem Leser das Gefühl, in einem Tagebuch oder Fotoalbum zu blättern und erzeugt damit Neugierde auf das, was im Leben zu entdecken ist.

Die ehemalige Lehrerin Charlotte Olszweski, die unter ihrem Mädchennamen Jugel schreibt, stammt ursprünglich aus Sachsen und lebt heute in Offenbach. Ihr Gedichtband besteht aus sechs Zyklen, die inhaltlich aufeinander genau abgestimmt sind. Einige Gedichte innerhalb dieser Abschnitte brechen jedoch den chronologischen Aufbau.

Jugel verarbeitet Kriegseindrücke aus der Kindheit, lässt den Leser am ersten Schultag teilhaben. Der manchmal so wehmütig wirkende Blick auf die Kindheit beschwört Bilder herauf: Angst, bei etwas Verbotenem ertappt zu werden, Vertrautheit, Wut über ausgesprochene Verbote, Trauer über den Tod der Mutter, Gefühle wie Schmerz, Unsicherheit, Wut, Leere und Verbitterung. Ein Aufseufzen ist manchmal nicht zu vermeiden.

Das kleine Mädchen aus den ersten Gedichten wird erwachsen und lernt die Liebe kennen. Charlotte Jugel springt leichtfüßig vom Verliebtsein mit Kribbeln im Bauch zur Liebe, die mit Vertrauen, Zärtlichkeit und Nähe verbunden wird.

Das Gedicht "Fürs Album" ist ergreifend. Die Mutter beschreibt in einem liebevollen, aber auch sehr traurigen Ton den Charakter, das Aussehen und die Entwicklung ihrer Tochter Ana. Abschiedsstimmung kommt auf, denn für die Mutter stellt das Erwachsenwerden von Ana einen Verlust dar. Es entstehen wieder Bilder und kleine Szenen in der Fantasie des Lesers. Diese Kombination von Liebe, Trauer, Freude, Leid und Schmerz gelingt dadurch, dass das alltägliche Gefühlschaos hier in faszinierender Weise vorgestellt wird.

Bemerkenswert ist das Gedicht "Noch nicht", in dem eine Frau nur auf die Uhr achtet, mit ihren Händen ängstlich versucht den Zeiger weiter zu drehen, damit die Uhr nicht stehen bleibt. Sie vergisst alles um sich herum: "Draußen / Schien die Sonne / Sie saß drinnen / Grau war der Tag / Auf die Geräusche / Der Vögel / Achtete sie kaum / Die Uhr tickte / Ihre Hände berührten / Die Zeiger / Nur nicht stehen bleiben / Dachte sie / Nur nicht stehen bleiben".

Wer sich gern in Gedichten verliert und bildhafte Sprache ohne Ausschweifungen und Schnörkel mag, ist mit diesem Gedichtband gut beraten.


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